Presse l Nachbericht l 9. Technik-Forum

9. Technik-Forum Kaltumformung
Technik Forum 2008 – Materialforschung im Fokus

Werkstoffe und deren fehlerlose Bearbeitung sowie neueste Forschungsergebnisse standen im Fokus des 9. Technik Forums an der Hochschule Pforzheim. Mitte November trafen hochkarätige Referenten auf die Anwender in der Industrie, um sich über kostengünstige Prüfverfahren, Verschleißminderungen und Techniken der Kaltumformung auszutauschen. Das von der Hochschule Pforzheim und der Max- und Erni-Bühler-Stiftung jährlich organisierte Technik-Forum ist beim Thema Kaltumformung von Metallen eine der ersten Adressen.

Die Organisatoren kamen 2008 einem vielfach gehegtem Wunsch nach: Sie weiteten das Tagungsprogramm auf nunmehr sechs Fachreferate aus. Wissenschaftler und Experten aus der Industrie behandelten Themen wie Simulationsmethoden, Potenziale des Laserauftragschweißens, Hochleistungs-Hartstoffbeschichtungen oder niedriglegierte Kupferbasislegierungen, bevor das Forum mit einem Vortrag im Rahmen des Studium Generale der Hochschule endete.

  Crashtests im Automobilbau sind ein Beispiel für kostspielige Materialprüfungen. Industriell gefertigte Produkte und Bauteile müssen - bei einer möglichst langen „Lebensdauer“ - immer höhere Belastungen aushalten. Zur Prüfung der eingesetzten Materialien waren bis vor wenigen Jahren aufwändige Versuchsreihen nötig. Die Karlsruher Professorin Dr. Britta Nestler zeigte in ihrem Referat „Simulationsmethoden in der Werkstoffkunde“ kostengünstigere Wege auf. Durch mathematisch-physikalische Modelle können in der computergestützten Simulation z.B. die Mikrostrukturen der eingesetzten Werkstoffe sowie ihre Veränderung durch Anpassungen in der Fertigung visualisiert werden. Mit Hilfe dieser Technik können Wissenschaftler das Werkstoffverhalten bei unterschiedlichen Prozessbedingungen, Verarbeitungsmethoden oder Materialzusammensetzungen voraussagen. Der Computer kann so beispielsweise optimale Werkstoffe und Fertigungstechnologien für eine Tür am Auto vorschlagen, die ein Optimum an Festigkeit und Gewicht darstellt.
Professorin Dr. Britta Nestler

 
Diese Technik erlaubt tiefgehende Einblicke in Prozesse, die vorher nicht bildlich darstellbar waren. Nestler nannte die Herstellung von Gießereiprodukten als Beispiel. Auf Grund der hohen Temperaturen beim Schmelzen von Metallen ist ein Beobachten, Steuern und Kontrollieren des Kristallwachstums unmöglich. Die Computersimulation erlaubt die dreidimensionale Visualisierung und Analyse während der Erstarrung verschiedener Werkstoffe in heißen Metallschmelzen.
 
  „Potenziale des Laserauftragschweißens im industriellen Einsatz“, das war das Thema von Diplomingenieur Andreas Baum, Hochschule Pforzheim. Er stellte im Technik-Forum die neusten Forschungsergebnisse des gemeinsamen Forschungsprojektes der Hochschule Pforzheim mit der Max- und Erni-Bühler-Stiftung vor. Baum betonte, dass die oft verwechselten Verfahrensgruppen des Laserauftragsschweißens und des thermischen Spritzens gänzlich andere Eigenschaften in Bezug auf Verfahren und Schichteigenschaften aufweisen. Verfahrensvarianten des Laserauftragsschweißens, die Auswahl der Auftragsstoffe, sowie eine große Anzahl von Verfahrensparametern bestimmen die Eignung der Schichten für unterschiedlichste Anwendungsgebiete. Die Potenziale des Verfahrens ergeben sich durch die –gegenüber Verfahren des Thermischen Spritzens - ausgezeichnete Haftfestigkeit der Beschichtung und durch die außerordentlich hohe Verschleißfestigkeit bei Abrasion. Bei abrasiven Verschleißversuchen mit Hartmetallbeschichtungen ermittelte Baum eine 1000fache Standzeit gegenüber Stahl und teilweise sogar bessere abrasive Verschleißeigenschaften als bei gesinterten Vollhartmetallen.
Diplomingenieur Andreas Baum

 
 
 

Dr. Jörg Vetter, Sulzer Metaplas, ging in seinem Vortrag bei den Beschichtungsverfahren ins Detail. Die Firma Sulzer Metco Metaplas stellt mit den Verfahren CVA (Cathodic Vacuum Arc Deposition), MS (Magnetron Sputtering) und PE-CVD (Plasma Enhanced CVD) Schichten im Dünnschichtbereich her. Die Schichten weisen hohe Härten und sehr gute Reibungskoeffizienten auf und werden vor allem in der Zerspanung und der Umformung eingesetzt. Abschließend ließ Vetter die Teilnehmer einen faszinierenden Blick auf die allerneusten Entwicklungen der hochinnovativen nanokristallinen Beschichtungen werfen.

Fehler im Material oder bei der Verarbeitung haben weitreichende Konsequenzen! Unter der Überschrift „Werkstofftechnische Untersuchungen zur Klärung von Verarbeitungsproblemen und Ausfallursachen“, versuchte Ursula Christian, Hochschule Pforzheim, diesem kostenintensiven Thema „auf den Leib zu rücken“. Bei der Verarbeitung und im Einsatz von metallischen Werkstoffen kommt es immer wieder zu Problemen und Ausfällen. Hier gab sie dem Praktiker so etwas wie ein echtes Handbuch mit, in dem sie sehr aus dem weiten Spektrum der Schadenskunde sowohl auf die Ursachen und Analyse solcher Fehler, vor allem aber auch auf effektive Möglichkeiten zu deren Vermeidung einging.

Dr. Jörg Vetter

 
 
  In Kooperation mit Dr. Frank Pupke, nkt cables GmbH, referierte M. Sc. Andreas Zilly, Hochschule Pforzheim, über die Materialeigenschaften und Auswahlkriterien für Fahrdrähte. Fahrdrähte von Oberleitungssystemen elektrischer Bahnen müssen eine gute Leitfähigkeit bei gleichzeitig hoher Festigkeit aufweisen, aus diesem Grund werden niedriglegierte Kupferbasislegierungen verwendet. Die Herstellung und Verarbeitung dieser Drähte erfordert umfassende Kenntnisse und Erfahrungen. Der Einsatzfall bestimmt auch hier die Auswahl des Werkstoffes. Grundsätzlich sind bestimmte Kriterien zu beachten: Von großer Bedeutung für den zuverlässigen Einsatz ist beispielsweise eine gleichbleibende Festigkeit und eine hohe Verschleißbeständigkeit. Die von nkt cables entwickelten Fahrdrahtwerkstoffe bieten hier einige Vorteile und eine sehr gute Alternative zu herkömmlichen Werkstoffen.

Das Thema Bahnleitmaterial für Oberleitungssysteme ist das Thema von Andreas Zilly. Im letzten Vortrag des Technik–Forums ging Zilly auf neuste Erkenntnisse der mechanischen Ermüdungsprüfung von Hängeseilen ein.
M. Sc. Andreas Zilly

 
Hängerseile in Oberleitungssystemen werden hochdynamisch beansprucht. Die großen Belastungen, vor allem durch die hohen Geschwindigkeiten moderner Hochgeschwindigkeitszügen, machen eine kontinuierliche Verbesserung der verwendeten Werkstoffe erforderlich. Ziel ist es, die Lebensdauer dieser Hängerseile zu erhöhen. Genaue Kenntnisse über den tatsächlichen Belastungszustand an der Bahnstrecke sind die Grundlage der weiteren Forschung. In Langzeittests, die optimal an diesen realen Belastungszustand angepasst werden müssen, erfolgt eine Prüfung des Bruchverhaltens. Die Tests zeigen Faktoren auf, die die Lebensdauer der Drähte vermindern können. An Hand der Ergebnisse können die Werkstoffe optimiert und die Prüfverfahren verbessert werden. Ziel der Forschung sind Seile, die selbst bei künftig noch schneller fahrenden Zügen der Beanspruchung standhalten und noch genügend Reserven haben.
 
  Traditionell klingt das Technik-Forum mit einem Vortrag im Rahmen des Studiums Generale aus. Professor Dr. Hanns Ruder entführte die interessierten Zuhörer ins Weltall. Der bekannte Astrophysiker erläuterte unter den Titel „Was auch Einstein gern gesehen hätte – Visualisierung relativistischer Effekte“ auf humorvolle Weise die Relativitätstheorie. Mit beeindruckenden Bildern raste Ruder mit Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos, aber auch durch seine Heimatstadt Tübingen, um den Phänomenen des Lichtes und der Masse „auf den Zahn zu fühlen“.
Kaltumformung von Metallen – das Thema ist mittlerweile zu einem höchst interessanten und breitgefächertem Komplex geworden.. Ziehen, Prägen, Stauchen, Walzen oder andere umformende Verfahren der Werkstoffbearbeitung sind Beispiele für die genannte Kaltumformung. Seit ihrer Gründung 1993 fördert die Max- und Erni-Bühler-Stiftung Wissenschaft und Forschungen in diesem Bereich. Rund 80 Teilnehmer folgten der Einladung zum 9. Forum Mitte November nach Pforzheim.
Die – für dieses spezielle Fachthema – hohe Teilnehmerzahl bestätigte den Rang der Veranstaltung. Auf diesen Erfolg wollen die Macher des Forums, die Professoren Norbert Jost und Roland Wahl, Studiengang Maschinenbau der Hochschule Pforzheim, sowie Dr. Werner Hansis, Präsident der Bühler-Stiftung, weiter aufbauen.
Der Rektor der Hochschule
Pforzheim Martin Erhardt und die Oberbürgermeisterin von Pforzheim, Frau Augenstein, im Gespräch mit Prof. Hanns Ruder von der
Universität Tübingen

 
Geplant ist ab dem Jahre 2010 mit dem „Forum Umformtechnik“ eine deutlich größere Plattform rund um das Thema Umformtechnik anzubieten. Der Bericht über die Forschungsergebnisse aus dem eigenen Haus soll durch Beiträge externer Referenten aus Forschung und Industrie ergänzt werden. Das geplante zweitägige „Forum Umformtechnik“ soll ab 2010 mit dem neuen Konzept einen innovativen Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaftlern und Praktikern auf vielleicht sogar europäischer Ebene ermöglichen.
<< zurück